16 Wirtschaftsbericht Herr Singer, inwiefern hat die Politik zur Preisentwicklung von Neubau-Wohnungen beigetragen? Die Politik hat mit ihren Energie- und Klimavorgaben der letzten 10–15 Jahren, die zu einer Flut von aufwendigen Zertifizierungen führten, mit der Folge von baukostensteigernden Gesetzen, Normen, Verordnungen und Beschränkungen, sich zu einer unheilvollen Allianz mit vielen Baustoff-Oligopolen fatal verbündet. Das war vordergründig unabsichtlich, hat aber die Preise von Baustoffen durch die Marktmechanismen um rund 50 % und mehr verteuert. Die aktuelle Debatte um das sogenannte „Heizungsgesetz“ hat diese Regulierungsphobie nun auf die Spitze getrieben. Gleichzeitig ist das ernüchternde Ergebnis der letzten zehn Jahre, dass gerade mal 8 % neue Wohnungen – trotz günstiger Zinsbedingungen und guter Konjunktur – dem Wohnungsmarkt neu zugewachsen sind. Marktwirtschaftlich logische, Wie hat die Politik in den letzten Jahren den Wohnungsbau und in der Folge die Kostenentwicklung von Neubau-Wohnungen beeinflusst? Die Herausforderungen für die sozialorientierte Wohnungswirtschaft sind enorm. Der politische Wunsch 400.000 Wohnungen pro Jahr zu errichten und die Realität von dauerhaft absehbar nur 200.000 Wohnungen klafft diametral auseinander. Günstiger, bezahlbarer Neubau-Wohnraum wird in allen Medien täglich vehement gefordert. Diesen Chor „betonen“ alle politischen Parteien stimmgewaltig. Doch deren politisches Handeln und die daraus folgenden gesetzlichen Rahmenbedingungen ermöglichen nicht ansatzweise die gewünschte Vermehrung bezahlbaren Wohnens. Im Gegenteil, die Verteuerung des Wohnens wird durch die Kosten für den Klimaschutz ohne rationales Maßhalten sozialpolitisch problematisch weitergehen. Kommt der Mangel an gefördertem Wohnraum überraschend? Das politische und damit auch gesellschaftliche Wehklagen über die Reduzierung des Sozialwohnungsbestandes von ca. 2,5 Millionen im Jahr 2000 auf rund 1 Million im Jahr 2023 ist unehrlich, weil aus allen seriösen Quellen klar hervorgeht, dass das Auslaufen der Preis- und Belegungsbindungen der überwiegend in den 1960er und 1970er Jahren gebauten Wohnungen klar absehbar nach meist 50 Jahren endet. Das ist alles andere als eine un- vorhersehbare Entwicklung. Im Gegenteil: Die sozialorientierten Wohnungsunternehmen haben in diesen 50–60 Jahren ihre Sozialwohnungen seriös günstig vermietet und oft unter unrentierlichen Rahmenbedingungen ihre sozialen Verpflichtungen korrekt eingehalten. Und selbst nach Ablauf der Mietpreisbindungen vermieten die überwiegende Zahl all dieser Wohnungsunternehmen die ehemaligen Sozialwohnungen weiterhin mit günstigen Mietpreisen deutlich unter dem Marktniveau. Welche realen Auswirkungen haben Preis- und Belegungsbindungen heute? Zu suggerieren, mit neuem sozialen Wohnungsbau dieser Erosion zahlenrelevant entgegenzuwirken, ist für alle Fachleute unrealistisch. Mit den aktuell bereitgestellten öffentlichen Fördermitteln und den vorhandenen Baukapazitäten ist die Vision der Regierung von 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr nicht annähernd zu schaffen. Tatsächlich stehen dem ca. 25.000 realisierte geförderte Wohnungen gegenüber. Und die aktuelle Entwicklung ist sogar noch rückläufig. Doch die mediale und politische Debatte wird unvermindert mit gegenseitigen Schuldzuweisungen weitergeführt. Das schafft keine einzige zusätzliche günstige Neubauwohnung. Wohnungswirtschaft – wann wirst Du endlich richtig verstanden?? 1 Über Jahrzehnte hinweg prägte der soziale Wohnungsbau die Wohnungswirtschaft, um Menschen mit kleinem und mittlerem Einkommen zu einer angemessenen Wohnung zu verhelfen. Zwischenzeitlich sieht die Lage auf den angespannten Wohnungsmärkten anders aus.
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